Sozialmarketing ist Vertrauenssache: Wie man Förderer langfristig bindet
Alptraum Syrien: Flüchtlinge sterben, verhungern, leben zu Zehntausenden in Zeltstädten. Jeder weiß, dass sie auf Spenden und Fördermittel der reichen Industrieländer angewiesen sind. Doch die Deutschen, einst eines der spendierfreudigsten Völker, halten sich zurück. Es sind nicht nur die politische Verhältnisse, die sie zögern lassen. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap befürchtet fast jeder Dritte (29 Prozent), dass das Geld nicht an der richtigen Stelle ankomme. Große Spendenskandale in der Vergangenheit sowie negative Berichterstattungen führen dazu, dass das Vertrauen in die Gemeinnützigkeit der Hilfsorganisationen schwindet. So können externe Profis zwar neue Spender und langfristige Förderer generieren – doch unseriöse und lästige Geldeintreiber haben zugleich für Misstrauen in der Bevölkerung gesorgt und dem Ruf der Charity-Organisationen geschadet.
„Wir stehen gegenüber den Mitgliedern in der Verantwortung, ihr Geld wirtschaftlich einzusetzen.“ Victor Felber, Geschäftsführer des Fördervereins der DRF Luftrettung, wird bei dem Thema Fundraising hellhörig. Seit 30 Jahren ist er inzwischen für Wohltätigkeitsorganisationen aktiv und war als Fundraiser bei einem der größten Verbände in der Wohlfahrtspflege verantwortlich. Etwa 20 Millionen nimmt die DRF Luftrettung jährlich an Fördermitteln ein. Felber versteht nicht, dass manche Verbände so sorglos mit der Anwerbung neuer Mitglieder umgehen. Dabei gehöre es doch zu den vorrangigsten Aufgaben von gemeinnützigen Organisationen, möglichst viele Förderer langfristig zu binden. „Ab einer
bestimmten Größe ist es wichtig, einen externen Profi für die Neuspendergewinnung zu engagieren“, hat er die Erfahrung gemacht. Einfach ist es jedoch nicht, den richtigen Partner zu finden, gibt er zu.
Unseriöse Geldsammler bedrängen die Menschen und setzen sie unter Druck
Auf dem kaum überschaubaren Markt von Fundraisern tummeln sich eine Menge unseriöser Anbieter, viele haben nur den eigenen Profit im Sinn – und genau jene sorgen in der Bevölkerung für Misstrauen gegenüber gemeinnützigen Verbänden. Die Menschen fühlen sich von den Geldsammlern an der Haustür unter Druck gesetzt und zu Unterschriften gedrängt. Vorfälle wie diese verbreiten sich in Windeseile, so dass der Ruf schnell ruiniert ist. „Solche Geldeintreiber sind nicht an Nachhaltigkeit interessiert, ihnen kommt es nur auf die einmalige Spende und auf ihre eigenen Boni an“, hat Felber festgestellt. Als „Zuhältermentalität“ beschreibt er die Politik solcher Anbieter. Nicht selten nutzen sie Notlagen ihrer Arbeiter aus, setzen sie unter massiven Druck und zahlen lediglich Provisionen statt Festgehälter. Für die Organisation indes sind solche Sammler eine teure Investition, die sich letztendlich nicht auszahlt, da sie mehr Geld kostet als einbringt.
Daher komme es entscheidend darauf an, die Spreu vom Weizen zu trennen, also Qualität von Betrug unterscheiden zu lernen. Felber hat mit Kollegen gesprochen, die positive Erfahrungen mit Sozialmarketing gemacht haben, hat Angebote verglichen und Mitarbeiter von Agenturen eingeladen, um sie kennenzulernen. „Indem wir die Leute selbst schulen, sehen wir, wie sie auftreten, welche Fragen sie stellen und wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten“, berichtet er. Um die Motivation zu steigern, sei es umgekehrt ebenso wichtig, dass sich die externen Fundraiser selbst mit der Organisation, für die sie später arbeiten sollen, identifizieren und sich für deren Ziele begeistern.
Nur durch persönliche Kontakte, Ehrlichkeit und Einfühlungsvermögen kann man Förderer langfristig binden
Was Felber als Geschäftsführer festgestellt hat, ist im professionellen Sozialmarketing das A und O. Elke Wagner, die seit 15 Jahren Aktionen zur Spendenakquisition leitet sowie Fundraiser aus- und weiterbildet, weiß: „Mit persönlichen Kontakten erreicht man bei potentiellen Förderern die größte Resonanz, daher ist der Aufbau echter Beziehungen eines der wichtigsten Ziele im Sozialmarketing.“ Neuspender zu gewinnen ist zwar einfach, doch immer mit hohen Kosten verbunden. „Überleben können Organisationen nur, wenn die Mittel langfristig und planbar beschafft werden“, erklärt Wagner. Sie selbst stellt an ihr Personal „höchste Anforderungen“, wie sie sagt: „Nur besonders motivierte und bestens geschulte Mitarbeiter stellen erfolgreiches Fundraising sicher.“ Wichtig sei dabei auch, individuell auf die Anforderungen des jeweiligen Verbands einzugehen, seinen Bedarf und seine Ziele zu ermitteln und darauf die entsprechenden Planungen und Methoden abzustimmen.
Der Zweck einer erfolgreichen Mittelbeschaffung bestehe immer darin, die Menschen an sich zu binden, zur wiederholten Unterstützung zu bewegen und auch zu motivieren, den Beitrag zu erhöhen. „Professionell mit Ablehnungen umzugehen, muss trainiert werden“, so Wagner. „Ein erfolgreicher Fundraiser schafft es, mit Hartnäckigkeit, Einfallsreichtum, Gespür und Einfühlungsvermögen, ein Nein in ein Ja zu verwandeln.“ Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit seien dabei die wichtigsten Qualitätsmerkmale, so Wagner. „Man kann die Menschen langfristig für die eigenen Ziele nur begeistern, wenn sie sich auch mit der Organisation identifizieren.“